Nach Schätzung des Bundesverband Informationswirtschaft, Telekommunikation und neue Medien (BITKOM) gibt es in einem deutschen Durchschnittshaushalt mehr als 50 Elektro- und Elektronikgeräte. Tendenz steigend. Neben dem „Mehr“ an Geräten werden Produkte heute aber auch immer schneller durch neue, vermeintlich bessere ersetzt. So versprechen Mobilfunkanbieter zum Beispiel mit einer Selbstverständlichkeit jedes Jahr oder alle zwei Jahre ein „brandneues Top-Smartphone“ für unbeschwerten Kommunikationsgenuss.
Viele Elektrogeräte sind aus unserem Leben nicht mehr wegzudenken und erleichtern unseren Alltag maßgeblich. Doch für die Umwelt hat diese Entwicklung eine gefährliche Kehrseite. Die Lebenszeit vorhandener Geräte durch Reparaturen zu verlängern bzw. mit weniger Geräten auszukommen lautet daher die Devise.
Als die niederländische Journalistin Martine Postma 2009 in Amsterdam den ersten Reparaturtreff Europas gründete, ahnte sie vermutlich kaum, welche Welle ihre Initiative heute schlägt. Ins „Stichting Repair-Café“ bringen Menschen kaputte Geräte, Möbel oder zerschlissene Kleider, defekte Fahrräder, Computer, Radios oder Kaffeemaschinen, damit andere ihnen helfen, „an der richtigen Schraube zu drehen“, um die Gegenstände erneut zum Laufen zu bringen. Oder sie lernen, wie sie selbst Hand anlegen. Im RepairCafé finden sie Anleitung, das richtige Werkzeug und – wenn nötig – Expertenrat.
Die Besucher wissen, dass es Sinn macht, Maschinen und Möbel zu reparieren. Sie setzen auf Nachhaltigkeit und wollen ihre Dinge länger nutzen. Sie sind überzeugt: Reparieren statt Wegwerfen spart Ressourcen, es schont Energiereserven, schützt Rohstofflager und Klima, weil Weiternutzen die Produktion immer neuer Dinge länger überflüssig macht. Deshalb „frickeln, hämmern und schrauben Leute, um kaputte Küchengeräte, Staubsauger, Telefone oder alte Klamotten wieder in Schuss zu kriegen“, beschrieb eine Zeitung Szenen im Repair-Café.
Postmas Idee erobert die Welt. In den Niederlanden gibt es inzwischen mehrere Dutzend solcher Reparier-Treffs. In Köln eröffnete 2012 der erste deutsche Ableger. Dem Vorbild vom Rhein folgten RepairCafés in Berlin, München, Aachen, Tübingen… ihre Zahl kletterte inzwischen weltweit auf gut 700(!) und die Macher eint die Idee: „Gemeinsam vermeiden die ehrenamtlichen Reparateure rund 200.000 Kilo Abfall jährlich.“
Allein während der Europäischen Woche der Abfallvermeidung 2014 errechneten die RepairCafés, dass Teilnehmer in den Niederlanden, Belgien, Deutschland und Frankreich in 130 Repair-Cafés „durchschnittlich 35 Reparaturen durchgeführt werden, wovon sich ungefähr 25 als erfolgreich erweisen“.
Resultat: Es konnten „3.250 defekte Gegenstände repariert werden“. Wenn ein Objekt im Durchschnitt ein Kilo wiege, folgerten sie, konnte „mit dieser Aktion gut 3.200 Kilo Abfall vermieden werden“.
Bei rund 385 Millionen Tonnen Abfall, den die Bundesbürger pro Jahr entsorgen, mag das (noch) der berühmte Tropfen auf den heißen Stein sein. Entscheidend ist die Veränderung der Einstellung. Reparieren liegt im Trend und zeigt Erfolg: 1.078 Kilometer – so weit ist es (Luftlinie) nicht nur von Stuttgart nach Berlin und wieder zurück – so weit auch reicht die Strecke, die sich ergibt, wenn die reparierten Waschmaschinen, Trockner, Herde, Spülmaschinen, Kühl- und Gefrierschränke aneinander gereiht würden, die rund 3.100 Reparaturbetriebe für „Weiße Ware“ wieder flott bekamen. Das ergab im Sommer 2014 eine Umfrage von www.MeinMacher.de.
Die Zahl verdeutlicht, wie wichtig Reparaturen für Umwelt- und Klimaschutz sind. „Würden die Geräte nicht repariert, würde in Deutschland zirka 25 Prozent mehr Elektroschrott anfallen“, sagt Detlef Vangerow. Er organisiert von Mittelstadt bei Reutlingen aus einen Verbund von rund 1.000 Handwerkern, die sich bundesweit aufs Reparieren gebrauchter Geräte verstehen. Sie besitzen technisches Know-how und wissen, wo sie – wenn nötig – Ersatzteile finden. Wenn ambitionierte Laien bei der Reparatur nicht weiterkommen oder ihnen Zeit und Lust fehlen, um sich selbst mit kniffligen Arbeiten auseinander zu setzen, stehen ihnen Vangerows Handwerker zur Seite. Zu finden sind sie – problemlos – übers Internet: Dort installierte der Organisator eine Suchmaske, die auf Knopfdruck Reparaturbetriebe gleich in der jeweiligen Nachbarschaft vermittelt. „Maßnahmen zu entwickeln, die Elektroschrott vermeiden, ist nicht nur unsere Aufgabe, sondern auch unsere Pflicht“, sagt Vangerow.
Schließlich verursachen die Menschen in Deutschland 2,7 Prozent des weltweiten Elektroschrotts. Der Müllberg aus Fernsehern, HiFi-Anlagen, Computern und Zubehör oder Handys wuchs laut UN-Angaben in nur fünf Jahren um gut ein Drittel. 2017 könnte mit den auf der Erde ausrangierten Elektrogeräten eine LKW-Flotte beladen werden, die drei Viertel des Äquators umspannt, sagen die Experten der Step- Initiative (Solving the E-waste Problem) der UNO: „Dann wird ein E-Müllberg mit einem Gewicht von 200 Empire State Buildings oder elf Pyramiden von Gizeh anfallen.“ Die Deutschen liegen dabei mit 23,2 Kilogramm pro Kopf im Jahr im Mittelfeld, Weltdurchschnitt sind sieben Kilo.
In diesem Schrott jedoch steckt ein Schatz. Experten der Deutschen Umwelthilfe (DUH) schätzen, dass in unseren Schubladen und Schränken allein 120 Millionen – unbenutzte – Handys schlummern. Darin lagern wertvolle Ressourcen: Gold, Silber und seltene Metalle für rund 21 Milliarden US-Dollar ließen sich jährlich durch die Wiederverwertung gebrauchter PC, Tablets, Handys oder Smartphones gewinnen, berechneten die Wissenschaftler der e-Waste Academy. Sie tagten auf Initiative der UN-University und der Global e-Sustainability Initiative und zählten zusammen, dass die Hersteller jedes Jahr allein 320 Tonnen Gold und 7.500 Tonnen Silber in Elektronik-Gadgets verbauen. Diese Materialien besitzen einen Wert in der Größenordnung des Bruttosozialprodukts kleinerer Staaten.
Allein in den ausrangierten Handys in Deutschland stecken laut DUH satte 1.000 Tonnen Kupfer – genug um daraus ein Kabel zu ziehen, das zweieinhalb Mal um die ganze Erde reicht. Und allein das weltweit pro Jahr in Handys verbaute Gold, entspricht laut Berechnungen der UN-University zweieinhalb Prozent des Werts der gesamten US-Goldreserven, die im Tresor von Fort Knox eingeschlossen sind.
Diesen Schatz erkennen inzwischen immer mehr Verbraucher. Sie haben von der „Wegwerf-Mentalität“ genug und wünschen sich Produkte die sie länger nutzen. Der Widerstand gegen die so genannte Obsolenszenz – des „eingebauten“ Verfallsdatums – der Produkte wächst. Auch der Dachverband der deutschen Natur- und Umweltschutzverbände prangert die absichtliche Beschränkung der Lebensdauer von Produkten an: Die Bundesregierung müsse gegen Hersteller vorgehen, die ihre Waren mit geplanten „Sollbruchstellen“ oder „Kaputtgehdatum“ produzieren.
Geräte könnten, fordern Experten, nämlich durchaus länger ihren Dienst tun. Das Department of Mechanical Engineering der Katholischen Universität im belgischen Leuven untersuchte, wie lange Waschmaschinen genutzt werden sollten, oder wann es wirtschaftlicher und ökologischer sei, eine neue zu kaufen. Die Wissenschaftler bezogen dabei nicht nur den Energie- und Wasserverbrauch mit ein, sondern auch den technischen Fortschritt, kalkulierten steigende Energiekosten ein sowie die „Total Cost of Ownership“, also die Gesamtkosten, einschließlich des Kaufpreises.
Die Untersuchung zeigt: Der Wasserverbrauch spielt kaum eine Rolle. Wohl aber der Energieverbrauch. Das Ergebnis der Studie: Nur Waschmaschinen der Energieeffizienzklasse B oder A, die zudem mehr als 45 Liter Wasser pro Waschgang brauchen, sollten durch neue Geräte ersetzt werden. Die Mehrheit der Geräte sowie alle Geräte der Energieklasse A+ oder A++ sollten Verbraucher demnach mindestens 10 bis 12 Jahre nutzen. „Die Reparatur oder die Weiter- und Wiederverwendung sind für die Umwelt und für die Haushaltskasse die beste Lösung“, kommentiert Detlef Vangerow die Studie.
Längere Nutzung durch Reparieren könnte nämlich die jährliche Entsorgungsrate von Elektroaltgeräten senken. Die beträgt in Deutschland derzeit rund eine Million der weltweit etwa 40 Millionen Tonnen Elektroschrott. Vangerow und seine Kollegen plädieren deshalb dafür,
- Die Reparaturbedingungen zu verbessern und
- Die Hersteller zu verpflichten, Geräte so zu konstruieren, dass sie besser reparierbar sind.
- Zudem sollen sie technische Dokumentationen veröffentlichen sowie
- Günstigere Ersatzteile liefern, oder
- die Reparatur-Autorisierung für Fachbetriebe während der Garantiezeit zu erlauben, „damit Verbraucher nicht ausschließlich von den Herstellern abhängig sind“.
Die Käufer und Nutzer können ihren Teil dazu beitragen, dass Haus- oder Elektro-Geräte länger in Gebrauch bleiben und nicht frühzeitig auf dem Schrottberg landen:
- Überlegen Sie genau, ob Sie immer gleich ein neues Gerät brauchen, nur weil sich Moden ändern (Farben und Formen sind oft kurzlebig und haben mit der Funktion wenig zu tun).
- Auch nicht jede technische Neuerung erfordert stets einen sofortigen Neukauf etwa eines Handys oder der elektrischen Zahnbürste.
- Sie sollten auf jeden Fall beim Kauf darauf achten, möglichst ökologische und reparierbare Geräte zu kaufen. Der Fachhandel aber auch das Ökoinstitut mit seiner Eco-Top-Ten-Liste helfen dabei.
- Sie können, wenn ein Gerät defekt wird, einen Fachmann mit der Reparatur beauftragen. Handwerker finden sie etwa auf www.meinmacher.de. Oder sie setzen es in einem RepairCafé instand.
Eine Liste vieler Reparatur-Treffs gibt es auf www.repaircafe.de - Sie sollten, wenn ein Gerät tatsächlich kaputt ist, dieses ordnungsgemäß recyceln. Wo erfahren Sie beim örtlichen Abfallentsorgungsamt der Gemeinde.
- Durch die korrekte Entsorgung werden dann wenigstens die im Gerät enthaltene Rohstoffe verwertet und damit Ressourcen geschont und Energie für die Neuproduktion gespart. Das hilft auch beim Klimaschutz.
Gerd Pfitzenmaier
Hier die komplette Pressemitteilung downloaden:
PM_Reparieren statt wegwerfen