„Alles neu“ macht der Mai: Das Volkslied bringt es auf den Punkt – jedes Jahr im Frühling, schaffen die Menschen wieder Ordnung. Dann räumen sie ihre Schränke, sie entrümpeln die Schubladen und stopfen, was in der Vorsaison noch als Hingucker galt, in den Sack für die Altkleider-Sammlung. Sie ordnen dabei manchmal nicht nur den Stauraum ihrer Wohnung neu. Manche bringen mit der Saubermann-Aktion auch oftmals endlich wieder Struktur ins eigene Leben.

 

Wenn draußen die Natur erwacht und mit frischem Grün, den ersten Blüten, Vogelgezwitscher und warmen Sonnenstrahlen endlich die wärmeren und helleren Tage ankündigt, schütteln auch die Menschen den Tran des Winters aus ihren Knochen. Im Frühling schnüren sie die Joggingschuhe, die während der kühleren Monate im Keller ein Dasein im Abseits fristeten. Damit lassen die Sportlichen die Reste der überschüssigen Leibesfülle purzeln, die sie zu vielen Stunden der Muse auf dem Sofa (oder mit einem üppigen Weihnachtsbraten) sammelten.

 

Wenn im März die Bauern ihre Felder bestellen, machen auch wir zuhause „klar Schiff“: Jetzt ist Zeit, nicht nur die Mode des Vorjahres auszusortieren. Ob Schuhe, Hosen, T-Shirts oder Röcke – viele Menschen sehnen sich im Lenz nach einem Neuanfang im neuen Outfit. Das bereitet ihnen Lust. Beim Frühjahrsputz polieren wir zudem nicht nur die Fensterscheiben oder saugen die Teppiche extra gründlich. Wir verabschieden uns oft auch von Dingen, die uns vor nicht allzu langer Zeit noch lieb und manchmal sogar teuer waren. Stapeln zu viele davon in den Ecken, engen sie uns selbst und unser Leben aber ein. Entrümpeln befreit! Manchmal sogar den Geist und die Seele. Über Jahrhunderte praktizierten die Heilkundigen und die Bader meist am Jahresanfang mit dem Aderlass eine Therapie, die unseren Ahnen das Gift aus dem Körper fließen ließ: „krankmachenden Schlacken und Fäulnisstoffe“, nannte sie Hildegard von Bingen. Die Heilkunst der mittelalterlichen Nonne gilt inzwischen unter Medizinern eher als fragwürdig. Von dieser Brachial-Therapie zeugt allenfalls noch ein ehemals für dem Januar benutzter extra Monatsname: Die Vorfahren nannten ihn „Lassmonat“.

Die Zeit des Aufräumens aber blieb. Sie erlebt mitunter sogar eine neue Blüte und ist zugleich auch Shopping-Time. Denn was der eine nicht mehr will oder braucht, kann ein anderer bestimmt noch weiter nutzen: Nach diesem Motto florieren alle Flohmärkte und Gebraucht-Basare oder deren modernes Pendant: die Schnäppchen-Portale im Internet. Hier finden sich die ausrangierten Habseligkeiten zu meist reduzierten Preisen. Das erfreut ihre Käufer. Sie sparen bei der neuen Anschaffung. So wird Verkaufen oder Kaufen von Möbeln, Handwerkszeug, Autos oder Elektrogeräten für alle Beteiligten immer auch zum Glückserlebnis – der Fantasie sind auf diesem Markt der Möglichkeiten keine Grenzen gesetzt. Neuerdings organisieren Umweltschützer alljährlich extra Tauschbörsen, damit all die vielen aussortierten Kleidungs- oder Sammlerstücke auch tatsächlich neue Besitzer finden. Das macht Sinn: Denn das Geschäft hat seine guten Seiten. Weiternutzen der Dinge spart Material, es reduziert den Energieaufwand für die Produktion oder den Vertriebsweg und es verringert die Abfallberge, auf denen sonst unser Wohlstands-Müll, irgendwo auf seine Beseitigung wartet. Die verringern sich natürlich auch, wenn noch mehr Menschen als bisher, die Dienste fachkundiger Reparatur-Experten in Anspruch nehmen. Die sorgen bei Elektrogeräten vom Handy bis zur Waschmaschine dafür, dass sie länger laufen. Sie kennen jene Tricks und wissen., wo sie notfalls ein Ersatzteil auftreiben, damit die Maschinen wieder schnurren und nicht frühzeitig im Müll landen. Die Laufzeit-Verlängerung gilt Ökologen als die effizienteste Verbesserung einer Ökobilanz. Sie ist in der Regel sinnvoller als der frühzeitige Kauf eines neuen Produkts – selbst wenn dieses scheinbar weniger Energie braucht als das Altgerät.

 

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