Die Idee kam dem Schweizer Dan Archer beim Früjahrsputz in seinem Genfer Apartment. Sie war vielleicht verrückt. Das ist mancher Gedanke des Künstler und Event-Unternehmers. Aber sie ist auf jeden Fall genial: Was wäre, wenn er all die Sachen, die er nicht mehr will, die aber durchaus noch brauchbar schienen, nicht im Müll entsorgt, sondern sie in neue Hände gäbe?

 

Gedacht – getan. Dafür ist Dan schon bekannt. Seine Happenings ziehen immer viele zunächst Unbeteiligte rasch in ihren Bann. Sie klimpern auf Pianos, die er mitten in Städten auf Plätze stellt. Er animiert die Menschen zum Tanzen, oder zur wilden Zombi-Hetzjagd durch nächtliche Parkgaragen.

 

Diesmal erfand Dan Archer die Boîte d’échange entre voisins. Seine „Nachbarschafts-Tauschbox“ macht unterm Matterhorn inzwischen bereits Karriere: Heute gibt es in der Schweiz schon 60 dieser Sammel- oder besser Abholstellen. Wie stumme Zeitungsverkäufer warten sie an belebten Straßenecken auf Kunden. Die Boxen nehmen Ware von Menschen. Menschen bringen Waren zu den Boxen. Die einen suchen Dinge. Die anderen finden sie in einer Boîte d’échange entre voisins: Wer deren Klappe hebt, entdeckt mit etwas Glück in der Box, was andere ablegten – Bücher, manchmal auch Werkzeuge, Kleidung in allen Farben, Schnitten und Designs, kleine und größere Elektrogeräte, Spiele, Schuhe… eine Nachbarschafttauschbox ist wie ein kleiner Trödelmarkt – eine Mischung aus Wundertüte und Überraschungsei. Hier kann jede und jeder zugreifen: einfach – und ohne zu bezahlen. Wer braucht, darf mitnehmen, was vom Inhalt nützlich erscheint.

 

Das ist Recycling pur. Es nützt dem Umweltschutz und stärkt einen nachhaltigen Konsum.

 

Archer startete das Experiment als Mischung aus Kunst-, Sozial- und Umwelt-Projekt. Das ist es auch. Der in Hongkong geborene Künstler, der einst durch die Welt tourte, ehe er sich in der mondänen Stadt am Genfer See niederließ, fand mit den Boîte d’echange heraus, dass sie Menschen aus einem Umkreis von rund 200 Meter anlockt und die Nachbarn die Sammelstelle durchaus rege annehmen. Per Video-Überwachung registriert er pro Tag rund 70 Besucher pro Box: Sieben brachten Gegenstände, 49 holten welche ab. In den knapp 30 Kisten, die in der Romandie stehen, fanden knapp 100.000 Gegenstände neue Besitzer! Die Genfer Stadtverwaltung lobt die Box inzwischen: Sie erspart der Kommune in einem Jahr etwa 32 Tonnen Abfall! Ein Ansatz, so sinnvoll wie die ReparaturRevolution: Wer Gegenstände weiter nutzt anstatt sie wegzuwerfen, schont Ressourcen und Energie. Das spart am Ende dem Nutzer Geld und der Umwelt Müll.

 

Die Boxen inspirieren die Schweizer. Manche sind inzwischen bunt bemalt oder mit Schrift verziert. Sie avancierten zu Treffpunkten an denen die Menschen ins Gespräch kommen. „Die Boîte reicht weit über die Ebene bloßer Tauschbereitschaft oder die Trödel-Liebe der Menschen hinaus“, weiß Dan Acher heute: „Die Menschen respektieren nicht nur die Box und ihren Inhalt, sie lernen dadurch auch ihre Nachbarschaft wieder schätzen.“ Das wirke sich dann auf das Zusammengehörigkeitsgefühl in der Kommune aus, ist er mit dem Ergebnis seines Experiments zufrieden.

 

Geben und nehmen – die Nutzer der Nachbarschaftsboxen lernen wie befreiend und sinnstiftend es sein kann, zu tauschen. Dan Archer jedenfalls findet, dass sich sein Experiment geglückt sei. Er träumt: „Am liebsten würde ich in jeder Straße der Welt solch eine Box aufstellen.“

 

Dan-Acher-Neighborhood-Exchange

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