Eine stark wachsende, zivilgesellschaftliche Bewegung setzt auf eigenhändige Reparatur: Reparieren statt wegschmeißen, lautet die Devise. Doch was ist dran am Repariertrend und bedrohen diese ehrenamtlichen Reparatur-Initiativen damit nicht die Handwerksbetriebe, die von der Reparatur leben? Diesen Fragen stellt sich Tom Hansing, der als wissenschaftlicher Mitarbeiter der anstiftung/München u.a. das Netzwerk Reparatur-Initiativen betreut – hier im Interview und live auf auf dem Vangerow-Kongress am 20. / 21 Juni 2015.

Der Vangerow-Kongress hat sich zu einem renommierten Branchentreff entwickelt für Elektriker, Elektroniker, Rundfunk- und Fernsehtechniker, IT-Spezialisten sowie den Fachhandel und Reparaturbetriebe für elektrische und elektronische Geräte und findet dieses Jahr in Suhl statt.

 

Wer besucht eigentlich in Deutschland und Europa Repair Cafés? Wie viele gibt es?

Eigenhändige Reparatur hat in Deutschland, gerade in Offenen Werkstätten, eine lange Tradition. Erhalt von Dingen und praktisches, handwerkliches Tun gehört zum Tüftler- und Bastlergeist der Selbermacher von je her. Neu ist, dass das Reparieren die Bastlerkeller verlässt und in öffentlich zugänglichen und gemeinschaftlich organisierten Räumen stattfindet. Derzeit gibt es in Deutschland ca. 220 aktive ehrenamtliche Reparatur-Initiativen und eine große Zahl von Gruppierungen in der Orientierungs- und Gründungsphase. Die Besucher*innen von Reparatur-Veranstaltungen stammen aus allen Bildungs- und Einkommensschichten quer durch alle Altersstufen und Sozialmilieus.

 

Ist es nicht gefährlich, wenn Laien an Elektrogeräten rumpfuschen?

Haushalts- und Unterhaltungselektronik macht zwar einen großen Teil der Gerätschaften aus, aber auch andere Dinge wie Kleidung, Möbel oder Fahrräder werden repariert. Es kommt ganz drauf an, wie eine Initiative ihre Veranstaltung ausrichtet. Häufig ist eine ganze Menge Know-how im Spiel, d.h. keineswegs wird da an Geräten herumgepfuscht. Die ehrenamtlichen Reparateure widmen sich in der Regel nur den Geräten, die sie auch sicher beherrschen. Laienexpertise wird häufig unterschätzt.

 

Nehmen Repair-Cafés nicht den Technikern die Arbeit weg und tragen so dazu bei, dass es vielen Werkstätten an Aufträgen fehlt?

Die Erfahrung zeigt etwas ganz anderes. Die neue Reparier-Bewegung bringt ein neues Bewusstsein für Reparatur in die Welt. Oft werden bei den Veranstaltungen kleinere Reparaturen durchgeführt, die von professionellen Werkstätten nicht (mehr) durchgeführt werden. Eine Technikerstunde ist teuer und steht in keinem Verhältnis zum Aufwand, den es beispielsweise bedeutet, eine lose Verbindung wieder anzulöten. Wer aber seine älteren und liebgewonnene Gerätschaften im Repair Café repariert, achtet womöglich bei künftigen Käufen eher auf Reparaturfreundlichkeit des Neuprodukts, lässt sich beraten und bringt hochwertige Güter eher mal zur Reparatur, wenn etwas Aufwändigeres defekt ist, als sie gleich zu entsorgen. Eine Synergie entsteht, das trifft es eher. Außerdem kooperieren professionelle Techniker*innen häufig mit ehrenamtlichen Initiativen, weil sie hier zu Leuten Kontakt haben, der nicht durch das gewerbliche Interesse überformt ist. Sie bekommen ein Gefühl für die Stimmungslage der Menschen, die auch Kunden sein könnten. Wer im Laden zu hören bekommt: „das lohnt sich nicht“, obwohl das Gerät z.B. aus nicht materiellen Gründen „wertvoll“ ist, wird nicht wiederkommen. Hier können nicht-kommerzielle Reparatur-Initiativen dazu beitragen, ein neues Verhältnis zu den Dingen aufzubauen. Für das Reparatur-Gewerbe kann dies zu einem neuen Aufschwung führen, insbesondere wenn man bedenkt, dass wir auf ein Zeitalter der Ressourcenknappheit zusteuern.

 

Was will die Repair-Café Bewegung in Deutschland und Europa?

Reparieren. Gegenstände natürlich, aber auch in gewisser Weise Kultur. Diese neue Form sozial-ökologischer, zivilgesellschaftlicher Bewegung legt praktisch Hand an Konsum- und Wegwerfmentalität und schraubt am Verständnis dessen, was wir als Verbraucher*innen können, sollen und dürfen. Die Reparier-Bewegung setzt um, worüber andere vielfach nur reden: nachhaltigere Lebensstile und ein anderes Verhältnis zu den materiellen Dingen. Die soziale Praxis des gemeinschaftlichen Reparierens ist Ressourcenschonung, Umweltschutz und entspannte, gut gelaunte Vergemeinschaftung bei den Herausforderungen, eine zukunftsfähige Gesellschaft mitzugestalten.

 

Darüber hinaus sind viele daran interessiert, dass Reparaturfreundlichkeit zu einem Qualitätsmerkmal für Produkte wird. Sie wollen ein Zeichen setzen in Richtung Politik, Industrie und Handel, sie wollen keine kurzlebigen Schrottgeräte in den Regalen sehen. Eine Arbeitsgruppe aus verschiedenen Reparatur-Initiativen in Deutschland, die sich mit der Entwicklung eines Siegels befasst, das Reparaturfreundlichkeit kenntlich machen will, plant ein erstes Pilotprojekt auf dem zweiten bundesweiten Vernetzungstreffen 2015 in Berlin zu präsentieren. Einen Veranstaltungskalender, frei verfügbare Materialien und Informationen zur Gründung, Vernetzungsmöglichkeiten mit bestehenden Initiativen und vieles mehr findet man auf der neuen Plattform des Netzwerks unter www.reparatur-initiativen.de. Die anstiftung unterstützt Reparatur-Initiativen und arbeitet mit Akteuren und Initiativen freier Assoziation und Namensgebung zusammen, die zu einer commons-basierten Kultur der Nachhaltigkeit und des gemeinschaftlichen Selbermachens beitragen wollen.

 

Web: http://www.anstiftung.de/selbermachen/reparatur-initiativen

 

Kontakt: reparieren@anstiftung.de

 

Tom Hansing / Repair Café, fotografiert am 02.11.2014 in Berlin.

 

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  1. Martin Ströter

    Neulich habe ich, schon halb einnickend, noch mit einem Ohr diese Internetadresse auf WDR5 mitbekommen und sie mir auf einen Zettel gekritzelt. Ich repariere sehr gerne, interessiere mich für ein Rep. Kaffee möglichst in der Nähe um dort meine Hilfe anzubieten und suche nach Hilfe bei der Rep. eines 25Km/h Autos. Ich habe die Ausbildung als Sarkstromelektriker bei der Fa. Siemens in Essen abgeschlossen und eine Fortbildung als Energieanlagenelektroniker drangehängt. Dann viel im Ausland gearbeitet. Griechenland, Kanarische Inseln, Schweiz lebe nun seit einigen Jahren wieder in NRW wo ich mir ein Fachwerkhaus von ca. 1780 gekauft habe an dem es auch viel zu tun gibt und würde gerne Kontakt mit Ihnen/euch aufnehmen was ja z.T. hiermit schon geschehen ist. Mit Freundlichen Grüßen aus 42551 Velbert… Martin Ströter