1990. Es sollte Silvester in Berlin sein. Nach Einbruch der Dunkelheit, auf der Transitstrecke, die seit kurzem keine mehr war, kam unser alter Golf in Schwierigkeiten. Offensichtlich fehlte Benzin. „Hast du wieder nicht getankt?“ „Natürlich hab ich getankt, glaubst du, ich bin blöd? Die Karre verbraucht viel mehr als sonst, keine Ahnung warum!“ Kurz bevor der Tank wirklich trocken war, hielten wir an. Ein Blick in mit der Taschenlampe brachte Gewissheit: Unter dem Auto breitete sich ein Pfütze aus. Wir waren in der frisch zerfallenen DDR mit einem zerfallenden Auto unterwegs. Der Reservekanister allerdings war voll. Wir machten uns mit dem lecken Auto im neuesten Teil der Republik auf die Suche nach einem Kfz-Mechaniker.

 

Wie das zugegangen ist, weiß ich nicht mehr, aber wir fanden einen. In irgendeinem Dorf am Rande der ehemaligen Transitstrecke gab es irgendeine Garage, die einem freundlichen und hilfsbereiten Menschen gehörte. Nachdem er eine Weile an unserem Golf herumgeschraubt hatte, informierte er uns in breitestem Sächsisch, dass wir im Glück seien. Ein „Spitzenprodukt aus echter DDR-Produktion“ – nämlich ein Schlauch aus einem Trabant – habe sich als für unsere Zwecke geeignet erwiesen. Bei nächster Gelegenheit sollten wir doch einmal „im Westen“ prüfen lassen, ob das Provisorium noch dicht sei.

 

Eine kleine Anekdote, die etwas Wichtiges über eine bestimmte Fähigkeit beim Reparieren erzählt. Der Kfz-Mechaniker, der sein Handwerk in der DDR gelernt hatte und daher nicht mit einer reichen Ersatzteilversorgung gesegnet gewesen war, hatte immer wieder Bauteile aus einem Kontext in einen anderen übertragen müssen, und wahrscheinlich beherrscht er diese Fähigkeit heute noch. Es kann gut sein, dass ein westlicher Mechaniker gesagt hätte: „Hab das Ersatzteil nicht da. Ein Taxi zum nächsten Bahnhof kann ich Ihnen rufen, wenn Sie das wollen.“

 

Aber so erreichten wir Berlin noch mitten in der Nacht. So weit ich weiß, ist der Golf mit dem fremden Ersatzteil gefahren, bis er selbst verschrottet wurde.

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